Anomalie Logo

ANOMALIE im Interview mit Metal Affair

Marrok, du schreibst allgemein Lieder. Aus den Liedern die nicht für andere Projekte passen, hat sich das Projekt „Anomalie“ entwickelt. Gibt es mittlerweile auch Lieder die so besonders sind, dass sie fast schon wieder ein neues Projekt werden?

Wie du schon sagst bezog sich diese Herangehensweise auf die Entstehungszeit von Anomalie, was um 2009 herum mit der Ansammlung verschiedenster Songexperimente begann und schließlich ein paar Jahre später in der Veröffentlichung von „Between the Light“ resultierte. In diesen Jahren war ich ein sehr junger Musiker auf der Suche nach seiner künstlerischen Identität und alles was (für mich) neu war weckte auf musikalischer Ebene auch schnell mein Interesse als angehender Songwriter. Ich sah, im Vergleich zu einigen technisch deutlich versierteren Leuten in meinem Umfeld, meine Talente schon damals sehr klar im Arrangement ganzer Songs, was sich seither auch bewahrheitet hat. Heutzutage arbeite ich jedoch schon lange nicht mehr ohne Plan und Ziel vor mich hin, denn man findet mit zunehmendem Alter definitiv bis zu einem gewissen Grad seinen persönlichen Stil, quasi die musikalische Handschrift, die dich von anderen unterscheidet. Dadurch landet man ganz natürlich auch in einer Art Komfortzone, die es immer wieder zu durchbrechen gilt um kreative Redundanz zu vermeiden. Allerdings seh ich dabei keine Notwendigkeit gewisse Experimente zu erzwingen wie ich es in meinen Anfangsjahren durchaus mal gemacht habe. Seit „Visions“ habe ich meinen gesamten kreativen Fokus auf Anomalie gelegt und daher nur sehr wenig Material geschrieben welches in eine völlig andere Richtung geht. Seit wenigen Monaten arbeite ich jedoch tatsächlich konkret an einem neuen Projekt, das in Sachen Instrumentierung und Songstrukturen einen völlig anderen Zugang verfolgt. Die Fertigstellung des neuen Anomalie Albums hat aktuell allerdings klare Priorität, daher lässt sich noch absolut nicht abschätzen ob und wann dieses neue Projekt öffentlich das Licht der Welt erblickt, eins nach dem anderen.

Anomalie feiert nächstes Jahr sein zehnjähriges Bestehen, gibt es schon Pläne dies zu feiern?

2021 wird aus mehreren Gründen ein enorm wichtiges Jahr für uns werden. Wie du schon sagst steht das 10-jährige Jubiläum an, dazu kommt mit dem neuem Album der für mich bisher größte und wichtigste Schritt in der Entwicklung der Band und wir werden all das mit erweitertem Lineup und der bisher mit Abstand ambitioniertesten Bühnenumsetzung so bald wie möglich live präsentieren. Ich verrate hier noch keine Details, aber wer Anomalie in den letzten Jahren etwas abgewinnen konnte sollte sich bei Gelegenheit definitiv eine dieser Shows ansehen, die neue Produktion geht definitiv über den Rahmen eines „normalen“ Metalkonzerts hinaus! Wir hoffen natürlich alle auf eine baldige Rückkehr zu ordentlichen Veranstaltungen, der große Startschuss für die neue Anomalie-Ära ist dann jedenfalls spätestens im November 2021 auf unserem Transcending Visions Fest in Graz geplant!

Anomalie
Anomalie – Photo: © The Discovered Land

Durch die vielen Bands in denen du bisher auch schon viel erreicht und gesehen hast (z.B. Harakiri for the Sky, Schammasch, Selbstentleibung, …), steckst du dir mit Anomalie auch vergleichbare Ziele für die Bekanntheit und Reichweite?

Ernst gemeinte Musik ist in meinen Augen kein Wettrennen. In der reinen Unterhaltungsmusik dreht sich natürlich sehr viel, wenn nicht sogar alles, um Zahlen und Geld. Bei uns ist das etwas ganz anderes und ich denke jeder, der sich tiefgehender mit Bands wie unseren beschäftigt hat längst erkannt, dass der große Antrieb hinter all dem der ehrliche und unbändige Drang nach Selbstverwirklichung ist. Um bei deinen Beispielen von Bands bei denen ich ebenfalls mitwirke zu bleiben: Weder ein Matthias von Harakiri noch ein C.S.R. von Schammasch schreibt auch nur einen einzigen Ton mit dem Hintergedanken gut zu verkaufen und genauso wenig beeinflusst dieser Gedanke mein eigenes Schaffen. Wir gehen alle unabhängig voneinander unseren Weg, wie auch immer der aussieht. Es ist sehr inspirierend und lehrreich mit anderen großen Talenten und Persönlichkeiten zu arbeiten und ich bin extrem dankbar für die Tatsache, dass es da draußen so viele Menschen gibt die uns in dem Unterstützen was wir mit ganzem Herzen am liebsten machen. Trotz allem lässt sich im Metal-Underground wenig planen, daher stecke ich meine Ziele nicht im Bereich „Bekanntheit und Reichweite“, stattdessen ist es mir mehr und mehr ein essenzielles Anliegen meine künstlerischen Visionen die teilweise schon seit Jahren in meinem Kopf herum schwirren so kompromisslos wie möglich umzusetzen, was, um es nochmal zu erwähnen, unter anderem im neuen Album und der bereits erwähnten erweiterten Bühnenproduktion resultiert. Was dabei am Ende in Zahlen raus kommt ist nebensächlich, ich freu mich aber definitiv mehr über 10 ehrlich interessierte und konzentrierte Hörer als 1000 die nur an der Oberfläche der Songs kratzen bevor ihnen ihre automatisierte Spotify Playlist den nächsten Random-Song um die Ohren haut.

Du hast bereits in vielen Ländern getourt, wie unterscheiden sich die Fans und Stimmung auf den Konzerten in den jeweiligen Ländern?

Ich versuche diese Frage ohne Standard-Floskeln zu beantworten. In Zentraleuropa muss ich ehrlich sagen sehe ich kaum Unterschiede. Quasi überall beschweren sich die Leute schnell über die lokale Szene, meiner Meinung nach allerdings nur, weil sie ihre Nachbarländer schlicht nicht so genau am Schirm haben und man vom Ausland in der Regel nur die großen beeindruckenden Bilder sieht, die allerdings nirgends die Alltags-Norm sind. Am Ende hängt das meiste immer noch von den Bands ab. Geile Bands, die gerade gut laufen haben auch durchwegs geile Shows, egal wo. Ein paar wenige Ausnahmen sind nicht zu verhindern, beispielsweise aufgrund von zeitgleichen übergroßen Konkurrenzveranstaltungen in der selben Stadt und dann vielleicht auch noch an einem Montag oder Dienstag, das gehört auch mal dazu. Bandübergreifend darf ich jedoch guten Gewissens behaupten, dass wir zu den glücklichen gehören, die sich durch die Bank über sehr gutes Publikum freuen können, was absolut nicht selbstverständlich ist!
Außerhalb von Mitteleuropa sind jedoch schon eher Unterschiede zu bemerken. Skandinavien war für uns ein spezielles Pflaster. In den ersten Jahren ging dort oben sehr wenig bis dann vor ein paar Jahren irgendein Knoten geplatzt ist und seither hatten wir in diesen allgemein als „schwierig“ bezeichneten Ländern absolut großartige und energiegeladene Konzerte mit hohen Besucherzahlen. Und dann gibt es natürlich noch viele Länder die nicht so verwöhnt sind mit ständigen Tourstationen. Die Intensität und Euphorie im Publikum ist verständlicher Weise auf einem völlig anderen Niveau wenn du auf einer Bühne z.B. in China, Israel, Russland, Griechenland oder auch Süd-Spanien und Portugal stehst, da spürt man, dass sich die Leute schon lange auf ein Konzert freuen und der Moment genossen und zelebriert wird, da niemand weiß ob und wann die Band nochmal vorbei kommt!

In welchem Land würdest am liebsten Mal spielen?

Ganz ehrlich, das Land sagt nicht viel aus. Ich spiele am liebsten auf Events, die mit viel Herz und Auge fürs Detail geplant und umgesetzt sind. Wo sich alle Leute auf, neben und vor der Bühne wirklich wohl fühlen, die Musik im Vordergrund steht und von einzigartiger Atmosphäre mit Wiedererkennungswert getragen wird. Die Menschen machen die Erfahrungen zu etwas besonderem und das lässt sich absolut nicht an einer Landesflagge fest machen, besondere Plätze und Leute gibt es überall!

Bei so vielen Bands zu spielen und zu proben, Songs zu schreiben, das Management zu übernehmen usw. fragen sich sicher viele: wie teilst du dir die Zeit dafür ein?

Mittlerweile kenn ich es nicht mehr anders und man kommt einfach auf natürliche Abläufe, die sich mit der Zeit einbürgern. Ein wichtiger Schritt war es vor ein paar Jahren ganz konkrete Prioritäten zu setzen und in Folge dessen auch einige Projekte, Jobs und andere „Zeitfresser“ konsequent zu beenden um mich auf die Dinge konzentrieren zu können, die mir wichtig genug sind um 7 Tage die Woche mit vollem Einsatz daran zu arbeiten. Das Resultat ist, dass ich zu meiner großen Freude nach vielen harten Jahren der Aufbauarbeit nun seit über 3 Jahren Hauptberuflich Musik mache und wenn es mir der Kalender erlaubt auch anderen Bands auf Tour in verschiedenen Funktionen mit meinen Diensten zur Seite stehe. Auch wenn der Schritt in die Professionalität im Kalenderjahr 2020 enorme Herausforderungen mit sich gebracht hat, bereue ich keine Sekunde. Von Selbstmitleid oder gar Aufgeben halte ich absolut nichts und es gibt immer Möglichkeiten sich in der Not über Wasser zu halten, daher wird 2020 demnächst einfach abgehakt und weiter geht’s. Ich hab mir zum Ziel gemacht gestärkt aus diesen schweren Zeiten heraus zu gehen und ich bin mir absolut sicher, dass dieses Ziel auch erreicht wird!

Anomalie live on Stage
Anomalie – Photo: © The Discovered Land

Welches Lied von Anomalie liegt dir am meisten am Herzen und warum?

Das ist tatsächlich die eine Frage, die sich schlicht nicht beantworten lässt, unmöglich. Ich will es mir jetzt allerdings auch nicht zu einfach machen, daher lass es mich mal so sagen: Aus heutiger Sicht repräsentieren die Inhalte von „Visions“ und allem was danach kam und noch kommen wird den Menschen der ich heute bin beziehungsweise zumindest wichtige Phasen, die für meinen persönlichen Entwicklungsweg enorm wichtig waren. Im Vergleich dazu sind die ersten beiden Alben vertonte Zeitzeugen aus Tagen in denen ich im Nachhinein betrachtet einfach noch auf der Suche nach meiner musikalischen aber auch privaten Identität war. Ich kann also beim besten Willen keinen einzelnen Track hervor heben, da ich zu jedem einzelnen einen völlig einzigartigen Bezug habe, ich würde jedoch im Direktvergleich einen Song der Post-“Visions“ Ära immer einem Song der ersten beiden Alben vorziehen.

Was war die bisher seltsamste Fan / Konzertbesucher Reaktion die du erlebt hast?

Auf den ersten Blick seltsame Menschen sehe ich ständig, nicht nur auf Konzerten, allerdings nehme ich mir nicht das Recht heraus meinen kurzfristigen Eindruck als negativ-behaftete Tatsache zu bezeichnen. Die meisten meiner engsten Freunde kamen mir am Anfang sehr seltsam vor und ich musste mir irgendwann einfach eingestehen, dass mir sonderbare Menschen samt ihrer Ecken und Kanten immer lieber sein werden als austauschbare Gesichter in der Menge. Sprich, auch wenn mir jetzt ein paar Geschichten zu deiner Frage einfallen, lass ich das mal lieber bleiben. Dafür muss ich sagen, dass es mir jedes Mal völlig die Sprache verschlägt, wenn ich Leute im Publikum sehe die zu Tränen gerührt meine Musik mit ihrer eigenen Welt verbinden, das ist das ehrlichste und bewegendste Feedback welches man als Musiker erhalten kann. Wie man so schön sagt „beyond words!“ und für mich bis ans Ende meiner Tage ein absolut surreales Gefühl.

Der Song „Hurt“ von NINE INCH NAILS wurde von dir bereits gecovert. Eine für dich persönlich wichtige Erfahrung, so einen „nicht Metal Song“ zu singen. Welche Lieder würden dich noch reizen?

Das Experiment war wohl in gewisser Weise richtig und wichtig zum damaligen Zeitpunkt, da ich daraus sehr viel gelernt habe, allerdings werde ich so schnell keine Songs mehr von anderen Künstlern angreifen. Aus heutiger Sicht war ich damals absolut noch nicht so weit, und selbst in Anbetracht der Tatsache, dass ich heutzutage deutlich mehr draus machen könnte, sehe ich immer noch nicht was es dabei für mich zu gewinnen gäbe nochmal ein Lied zu covern. Vielleicht ändert sich meine Meinung auch irgendwann wieder, keine Ahnung. Es gibt definitiv sehr interessante Cover-Versionen von verschiedensten Songs da draußen und den Ansatz fand ich völlig richtig sich als Metal Band an einen Nicht-Metal Track zu setzen, das hat kreativ schon seine Reize, wäre für mich persönlich jedoch heute gefühlt eher Zeit, die ich stattdessen besser in mein eigenes Schaffen investiere.

Welche Undergroundband würdest du zurzeit am meisten empfehlen mal rein zu hören und was macht sie so besonders?

Phu, da gibt es so unendlich viel. Ich nenne jetzt einfach quer durch die Bank die ersten Namen, die mir durch den Kopf schießen, allerdings ohne viele Worte dazu. Bei Interesse einfach antesten und sich selbst ein Bild machen:
Zhrine (Black Metal), VI (Black Metal), Nicole Sabouné (Doom/Pop), Espectrostatic (Electronic Instrumental Transmissions)

Das war es schon mit unseren Fragen. Ihr habt das letzte Wort.

Vielen Dank für deine Zeit und das Interesse an Anomalie. Bis bald hoffentlich!

Anomalie Konzert
Anomalie – Photo: © The Discovered Land

Mehr zur Band:

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

error: Content is protected !!
Nach oben scrollen
Scroll to Top