Im beschaulichen Balve fernab vom Schlag, rotteten sich am Freitag, den 13.09.2019, an einem kleinen Hügel Zelte und Autos zusammen. Seltsame Gestalten säumten die schräge Auffahrt zu einem dicken Holzzaun. So kleinstädtisch es auch hinter dem Zaun und Einlass aussieht, es täuscht nichts über die mit Vorhängen verschlossene Höhle im nahen Hintergrund hinweg. Dem Einlass in die Unterwelt.
Die Location – Balver Höhle
Ob gewollt oder nicht, der Eingang könnte kaum besser passen: Der Durchgang durch den schmalen Schlitz im Vorhang in die weihrauchgeschwängerte Luft, führte einen dunklen Weg entlang. Neben der Bühne, die den Höhlenausgang weitestgehend ausfüllte. Es war wie der Abstieg ins Totenreich alter Legenden und Götterwelten.
Wer zurückblickte, sah nur einen schmalen Weg, der nur durch einen einfallenden Sonnenstrahl den Pfad zurück ins Diesseits zeigte. Vor einem jedoch liegt die Balver Höhle, die dank Weg, Vorhang und Beleuchtung eher an Hel statt an eine profane Location erinnerte.
Im Hauptsaal der Höhle rottete sich das Publikum nebst einer kleinen Seitenbar zusammen, während das Licht die Wege zu den Seitenarmen wies – in dem einen der Merchandiseverkauf, in dem anderen Arm eine kleine Ausstellung von Kunstdrucken von diversen Albumartworks zusammen mit Tischen und Bänken. Wen es in die Seitenarme des kleinen Höhlensystems verschlug, konnte sich absetzen und blieb doch Teil des Ganzen.
Die Höhle und Ambiente gaben unmissverständlich zu verstehen: Das ist kein typisches Festival, das ist eine Zusammenkunft!
Für großes Akklimatisieren blieb allerdings keine Zeit. Zwischen den kurzen, knackigen Sets der Bands (meist 30 Minuten am 1. Tag und 45 Minuten am 2. Tag für die meisten Bands) lag nur eine halbe Stunde Verschnaufpause, bevor es mit dem Ritual weiterging.
Der 1. Tag
A Forest Of Stars
Das Minigasthofidyll wurde von der ersten Band des Tages – A Forest Of Stars – mit einem Gitarrengewitter zerrissen. Und damit bereits am Nachmittag lautstark das Fest eingeläutet.
Sun Of The Sleepless
Als zweite Band des Tages stieg Sun Of The Sleepless auf die Bühne und donnerte sauber drauf los, dass es die bereits erzeugte Stimmung fortführte. Eine kurze Übersteuerung des Sounds kratzte keinen. Treibende Rhythmen peitschten durchs kurze Set hin zu einer kalten Ruhe. Zwischendrin war dennoch Zeit für Humor: Heimtückisch tauchte auf der Leinwand der Bühne ein Infokasten für ein PC-Update auf. Das Publikum forderte in einer Pause zwischen den Liedern die Durchführung des Updates, gab es aber nicht.
Farsot und ColdWorld
Danach wurde das Zepter an das 75-minütige Doppelset von Farsot und ColdWorld übergeben, wovon zwei Drittel lang Farsot das Gefühl pulsierender Schwärze verbreiteten, bevor nach kurzer Pause ColdWorld ihren Namen zur Ehre gereichten und den gefühlten Hauch von Leichenkälte in die Schwärze kippten.
Katla.
Was dann kam, war ein schöner Stilbruch mit Katla., der sich am ehesten als Viking New Wave beschreiben lässt (auch wenn ich für die Beschreibung wahrscheinlich gesteinigt werde). Angenehm unterkühlt, leicht poppig und ordentlich Rock.
Disillusion
Anschließend ließen Disillusion die Stimmung wieder düsterer werden.
Alcest und Strid
Abgeschlossen wurde der 1. Tag mit schöner Sterben dank Alcest und Strid.
Der 2. Tag
Tag 2 wurde mit den treibenden kalten Riffs von Laster eingeläutet. Optisch eine Alptraumversion der Cantina Band, passte die Musik perfekt zu expressionistischen Horrorfilmen der Stummfilmära.
Tchornobogs
Nach kurzer Umbaupause fiel Tchnornobogs Frontmann mit Augenbinde und Drittem Auge auf der Stirn auf die Knie, um Blut mit seiner Endloszunge in die Opferschale zu kotzen. In einem Gemisch aus rituellem Lärm, Hass und rotem Lichtgewitter kämpfte die Band gegen die Existenz an. Der Moment, als eine desorientierte Motte durch das Gemisch aus Rot und Lärm hastig über die Bühne flog, als versuche sie dem fleischgewordenen Chaos zu entkommen, beschrieb das Set perfekt . Der zweite Tag des Prophecy Fests war nun in vollen Gange!
Fen
Das aggressive Gewitter wurde anschließend melodischer von Fen fortgeführt, die das Publikum nicht nur mit einem neuen Track beglückten, sondern einen sichtlich zufriedenen Sänger hatten, der das Publikum und Set genoss.
Year Of The Cobra
Im Anschluss gab sich das zweiköpfige Abrisskommando von Year Of The Cobra die Ehre, um mit Bass, Schlagzeug und sirenenhaftem Gesang den Puls des Fests hypnotisch voranzutreiben mit ihrem Seattle Doom.
Vemod
Es wurde danach zwar nicht ruhiger mit Vemod, dafür aber sakraler. Weihrauch und Kerzen verbanden sich hier mit Blasbeats zu einer obskuren Messe.
Darkher
Weiter ging es mit schwarzen Klagegesängen von Darkher.
Bethlehem
Höhepunkt des zweiten Prophecy Fest Tages waren Bethlehem, die alles in Schwärze und nüchterne Ästhetik tauchten, als entstiegen sie höchst persönlich einem Gedicht von Gottfried Benn (u.a. Schöne Jugend und Krebsbarracke), um Verfall und Siechtum zu zelebrieren.
Mortiis
Wer dann noch stand, entspannte zu Mortiis, bevor das Ritual namens Prophecy Fest wieder zurück in den Winterschlaf ging.
Fazit
Die Macher vom Prophecy Label bewiesen mit der Abfolge der Sets an beiden Tagen, dass Atmosphäre und Stimmung beim Prophecy Fest an oberster Stelle stehen. Anstatt sich der Versuchung hinzugeben, das Festival zu einem reinen Schaulaufen des Labels verkommen zu lassen, gab man sich der Schönheit pulsierender Schwärze und rhythmischen Lärms hin, die von Rauch, Höhle und gelegentlichen Lichtspielen an der Decke während den Sets zu einem Ritual veredelt werden. Trumpf und Highlight ist unstreitbar die Balver Höhle als Austragungsort, der den rituellen Charakter des Prophecy Fest unterstreicht und natürlich werden lässt.
Eine andere Stärke des Prophecy ist das Publikum. Keine dauerbesoffenen Horden, welche die halbe Nacht über wie eine Meute angeschossener Wildschweine rumbrüllen. Man weiß sich im Großen und Ganzen zu benehmen, ob vor der Höhle, in der Menge oder auch auf dem Zeltplatz und beim Einkauf im Ort.
Die natürliche Kapazität der Höhle hält zudem auch in Zukunft Festivaltouristen fern. Zwar gab es gelegentliche Probleme mit Rückkopplungen und zum Ende beider Tage kam es zu Verzögerungen, aber alles in einem absolut verkraftbaren Rahmen. Wer Ritus und seine Ruhe will, fügt sich in die überschaubare Menge ein. Wer lieber Party und Saufgelage möchte, ist bei anderen Events evtl. besser aufgehoben.
Bei der Rückkehr in den Alltag erkannte man schnell, dass der Verbleib in der Höhle die bessere Wahl gewesen wäre. Für den 10./11. September 2021 ist das nächste Prophecy Fest auf europäischem Boden versprochen worden, also heißt es jetzt, geduldig sein bis zur nächsten Zusammenkunft.
Weitere Bilder des Prophecy Fest findet ihr hier:
Bericht: Manfred
Photos: The Discovered Land