In einem Interview aus dem Jahr 2016 habt ihr erzählt, dass Hämatom von Anfang an ein ganzheitliches Konzept sein sollte. Dazu zählen neben eurer Musik auch eure Bühnenshow und eure Masken. Wie lange habt ihr an dem Konzept gefeilt?
SUED: Boah, also diese Idee, die du gerade beschrieben hast, das saßen wir – ich sehe es vor mir als wäre es gestern – da saßen wir in meiner damaligen WG am Küchentisch und haben uns darüber unterhalten. Wir hatten bereits im Vorfeld schon andere Bands und dann ist uns klar geworden, um in dem Metal-mageren Musikmarkt zu Punkten, da musst du was auffallendes machen. Da gibt es so gute Leute, so viele Bands, sehr schwer da aufzufallen.
Zum einen haben wir gesagt: Hey, lass uns das ganze mal auf deutsch probieren und zum anderen, wie du es angesprochen hast, wir können uns ja nicht irgendwie in Straßenklamotten auf die Bühne stellen, da wird man erst mal nicht auffallen. Wir müssen irgendwie verrückt aussehen und uns verrückt anziehen. Dann ist es so peu-a-peu gewachsen. Beim ersten Auftritt hatten wir tatsächlich schon Masken. Wobei ich hatte eher so einen Damenstrumpf über den Kopf. Also es war noch nicht so ganz ausgereift.
Dieses feilen an sich hatte am Anfang nicht so lange gedauert. Aber wir haben in den letzten 15 Jahren immer weiter daran gefeilt. Und irgendwann wurde uns klar: es reicht nicht nur irgendwie anders auszusehen als die anderen. Sondern wir müssen auch gewisse Show-Elemente auf die Bühne schleppen. Da hatten wir dann schon relativ früh eine Tonne oder einen Baseballschläger und haben diese Tonne kaputt gekloppt. Hatten Kinderspielzeug, z. B. Teddybären. Das erste Album war eher konzeptionell, an alten Märchen, Kindermärchen und Kinderliedern angelehnt, da haben wir versucht das auch so ins Bühnenbild einzubauen. Bei vielen Leute ist dieses Konzept immer weiter gewachsen. Man hat neues dazu genommen, man hat altes weggeschmissen, von dem man nicht mehr so überzeugt war oder was man lächerlich fand.
Und gab es auch andere Ideen oder Pläne für Hämatom?
SUED: Ne, wir haben jetzt nicht gesagt, das probieren wir jetzt mal aus und wenn es nichts ist, machen wir das nächste. Wir hatten jetzt keinen Plan B in der Tasche. Aber durch dieses permanente sich austauschen darüber, hat man auf jeden Fall wieder Sachen raus geschmissen und neue Sachen ausprobiert. Aber das ist so ein Prozess. Wirklich seit über 15 Jahren, der eigentlich immer noch anhält. Also wir stellen ja immer noch fest: ach, weißte der Effekt, den hat jetzt irgendwie zum Beispiel irgendwie überhaupt kein Zuschauer jemals in irgendeinem Konzertkommentar erwähnt. Aber dafür gibt es da so Zufallsprodukte, das der West der Bassist sich, irgendwas, eine schräge Jacke nur für einen Song anzieht, die total abgefeiert wird.
Ein gutes Beispiel ist dafür: West ist inzwischen der Urvater des Einhorn, würde ich sagen. Das war auch so ein dynamischer Prozess. Da hat irgendwer mal ein Einhorn, ich weiß auch garnicht mehr wo das her kam, vielleicht kam das sogar von einem Fan. Das wurde dann vorne an einen Mikrofonständer gesteckt und dann wird das irgendwie immer mehr abgefeiert und inzwischen verkaufen wir über den Merchandise-Shop, total viele West-Einhörner. Also wirklich, irgendwann wird dieses Ding Westhorn heißen und nicht mehr Einhorn, weil das so eine Eigendynamik irgendwie entwickelt hat. Und das sind so Sachen, die sind nicht planbar. Das sind so Sachen, da denkst du nicht, die passen oder funktionieren, aber irgendwie funktioniert es. Irgendwie wird es erwartet und irgendwie macht es allen beteiligten Spaß. Da hast du auf einmal ein Einhorn auf der Bühne.
Wenn wir schon gerade bei euren Anfängen sind, wie kam es zu eurem Bandnamen? Wieso Hämatom?
SUED: Also, es war auch diese besagte Küche. Da saßen wir eben alle zusammen und waren auf der Suche nach einem Namen, der so ein bisschen die Schlagkraft der Musik oder Texte ausdrücken soll. Oder auf den Punkt bringen soll. Am besten in einem Wort und irgendwie ohne das, wenn ich dich jetzt z.B. anrufe, dass ich das ewig lang erklären muss. Genau und dann wirft man sich dann gegenseitig irgendwelche Ideen an den Kopf. Und was selten passiert ist das: jemand spricht den Namen Hämatom aus und auf einmal sagen alle: das ist eigentlich ganz gut. Das ist ja voll passend. Dann war der relativ schnell klar und fest gestanden.
Wie kam es bei euch zu den Instrumenten und dem Gesang? Habt ihr alle eine Musikschule bzw. Gesangsunterricht besucht? Oder habt ihr euch euer Können selbst beigebracht?
SUED: Wir haben alle schon vorher mit anderen Bands gespielt. Und haben alle vorher auch Instrumentalunterricht jeweils gehabt. Also ganz am Anfang hat zum Beispiel auch Nord noch Gitarre gespielt. Alle vier waren wir auch mal Instrumentallehrer. Zumindest nebenher oder teilweise auch Vollzeit und haben Bass, Schlagzeug und Gitarre unterrichtet.
Euch gibt es nun schon seit 2004. Was waren deine bzw. eure Highlights in der ganzen Zeit? Eine lange Zeit, die sicherlich voller Höhen und Tiefen war. Was waren die größten Schwierigkeiten auf eurem Weg? Und was hat euch vielleicht auch positiv überrascht?
SUED: Es ist total schwierig, da ein Highlight fest zu machen. Ganz klar, was mir immer einfällt ist das gemeinsame Konzert mit Rammstein in Sofia. Da war alles perfekt und es hat alles gestimmt. Aber auch irgendwie das letzte Konzert beim Wacken Festival. Nachts zusammen auf der Bühne, Trailerpark mit uns. Der ganze Holy Ground war voll. Ich glaube, die Show hat um zwei Uhr morgens angefangen. Alle kamen morgens nochmal aus ihrem Zelt gekrochen und haben sich das angeschaut. Oder waren eh schon den ganzen Tag auf dem Platz. Auf jeden Fall auch ein Highlight.
Dann mussten wir im Frühjahr, zu Beginn des Lockdowns, unsere bisher erfolgreichste Tour der Bandhistorie, Jubiläumstour „Maskenball“, abbrechen. Und haben dafür eine Quarantäne-Show gemacht. Eine der ersten Streaming-Shows dieses Corona-Jahres würde ich sagen. Und das war dann irgendwie auch ein Highlight. Wir dachten halt, es werden schon ein paar tausend Leute anschauen. Und dann waren es wirklich zigtausende. Haben bestellt wie verrückt, haben eine Solidarität signalisiert, wie wir sie uns nicht erträumt hätten, dass sie so stattfinden könnte. Das war auf jeden Fall auch ein Highlight unserer Karriere.
Ihr sagt, ihr seid keine Band, ihr seid eine Familie. Familie haben ja auch oft Rituale oder Traditionen. Gibt es so etwas bei euch?
SUED: Unter uns, vor der Show, wir Musiker und die Crew. Da gibt’s den obligatorischen Starter. Das ist ein kleiner Schnaps, den trinken wir alle zusammen. Dann schlagen wir uns alle noch mal ab. Dieses Abschlagen machen wir auch alle nochmal nach der Show. Und das ist wirklich ein ganz, ganz festes Ritual, wo alle mit machen, die mit der Live-Show etwas zu tun haben. Ohne dieses Ritual gibt es keine Show. Und wenn das Ritual mal aus irgendeinem Grund, weil es zu wenig Schnapsgläser oder Becher gibt, nicht stattfinden kann, dann wird der Showbeginn so weit – leider auf Kosten des Zuschauers – nach hinten verschoben, bis wir alle zusammen anstoßen können. Das ist auf jeden Fall eine ganz feste Institution, Gegebenheit oder Ritual, die wir als Band schon vier Jahre praktizieren.
Wo du sagst Familie, da muss man mal ein große Lob an unsere Fans, wir nennen sie ja Freaks, weil es mehr ist als Fans, aussprechen. Weil das ist schon wirklich verrückt. Das hat man eben auch in dieser Corona-Krise wieder gemerkt. Die sind voll am Start. Die supporten uns, die sind für jeden Unfug bereit. Das macht schon Spaß. Das ist was besonderes. Ich habe natürlich auch viel Kontakt zu anderen Bands, das können wirklich wenige Bands von sich behaupten, so eine Fan-Community zu haben.
2018 habt ihr zusammen mit der Band Dymytry den Song „Behind the Mask“ aufgenommen. Wie kam es dazu? Und wie war die Zusammenarbeit für euch und auch der Videodreh? Das Video lässt vermuten, dass ihr dabei viel Spaß hattet.
SUED: Im Prinzip hat unser Management den Kontakt zu Dymytry angeschleppt, als Dymytry auf der Suche nach einer Tour waren. Ich weiß gar nicht, wie es genau angefangen hat. Auf jeden Fall hatten beide Bands, sowohl Dymytry als auch Hämatom Interesse, sich gegenseitig in den Nachbarländern zu supporten. Dymytry wollte eine Support-Tour in Deutschland spielen. Und wir haben auch immer mehr gespürt, dass es auch Interesse in nicht deutschsprachigen Ländern an Hämatom gibt. Und hatten somit auch mal Interesse, in Tschechien eine passende Band zu begleiten.
Dann haben wir erstmal eine Show gespielt mit Dymytry in Tschechien. Und haben festgestellt, das im Prinzip Dymytry das tschechische Pendant zu Hämatom ist. Auch eine maskierte Band, die es auch ungefähr seit 15 Jahren gibt. Die auch anfangs eher belächelt wurde wegen ihrer Masken. Die inzwischen auch ein super Standing haben und dann haben wir uns auch noch megamäßig gut verstanden. Dann haben wir uns erstmal dafür entschieden, das wir Dymytry in Tschechien und der Slowakei supporten. Und im Gegenzug haben Dymytry uns auf der Tour in Deutschland supported.
Wir haben uns gut verstanden und hatten wahnsinnig viel Spaß. Also haben wir gesagt, wir haben gelernt von den Hip-Hoppern. Lasst uns doch mal einen Song zusammen raus bringen. Das verbindet auch beide Fans der jeweiligen Bands miteinander. Wir haben Spaß, wir einigen uns auf Englisch, damit kamen dann beide Bands irgendwie zurecht. Dann haben sich beide Bands für einen Tag zusammen in Prag getroffen zum Songwriting. Es gab schon so eine grundliegende Idee. Ein Bandmitglied von Dymytry, dessen Vater besaß eine Kneipe, hat er für uns die Kneipe geblockt. Wir haben viel Bier getrunken und haben „Behind the Mask“ geschrieben. Eigentlich auch total irre, dass sozusagen, zwei Bands, wir waren zu viert, die waren zu fünft, wenn neun Leute zusammen sitzen und einen Song gemeinsam schreiben. Es hat total Spaß gemacht und es hat funktioniert. Wir sind danach natürlich noch etwas um die Häuser gezogen. Und dann war „Behind the Mask“ im Prinzip geschrieben.
Im Anschluss sind wir zu einem unserer zwei Produzenten gefahren. Da waren dann aber nur noch Teile der Band dabei. Jeweils zwei von Hämatom und zwei von Dymytry, haben sich dann beim Kohle getroffen (Kristian „Kohle“ Kohlmannslehner) und haben diesen Song finalisiert. Da muss man sagen, Kohles Input war auch noch mal super. Da ist schon noch einiges passiert beim Songwriting. Dann stand „Behind the Mask“ final und wurde auch gleich recordet. Das war alles ein relativer Schnellschuss.
Nach eine Festival-Show in Tschechien (Sadska Festival), bei der an einem Tag sowohl Hämatom als auch Dymytry gespielt haben, haben wir uns alle am nächsten Tag zum Videodreh getroffen. Einige von uns haben im Prinzip garnicht geschlafen. Die haben durchgemacht und sind so zu diesem Videodreh gekommen. Da kann man, glaube ich, mit Überzeugung sagen: das war eines der lustigsten Videodrehs unserer Bandhistorie. Du hast vorhin nach meinen Highlights gefragt, der Moment gehört auf jeden Fall auch dazu.
Das war in so einer Paintball-Area, die für uns allein gebucht war. Wir haben dort das Video gedreht. Wer es nicht kennt, kann gerne mal auf YouTube rein schauen: „Behind the Mask“ Dymytry und Hämatom zusammen. Und haben im Prinzip mit einem Regisseur aus Berlin, der auch sehr lustig war, dieses slapstick-artige Action-Video mit diesen Paintball Gewehren gedreht. Ein saulustiger Tag. Alle total fertig, haben es aber total tapfer durchgezogen. Auch heftig für einige. An einem Tag die Performance, also wo wir unsere Instrumente spielen, plus die ganzen Action-Szenen. Am Schluss wurde wieder das eine oder andere Bier getrunken, weil wir alle dann doch echt Matsch waren. Da waren wir dann zeitig wieder im Hotel.
Das letzte mal wiedergesehen haben wir uns bei einem Live Stream beim Zombieland. Das ist jedes Mal eine riesen Freude. Wir versuchen uns gegenseitig zu supporten. Wir hatten letztes mal auch Kontakt mit ihrem Maskenbildner, weil wir da auch immer wieder neue Leute suchen oder mal was ausprobieren wollen. Dymytry arbeiten jetzt auch vermehrt mit unserem Produzenten, der „Behind the Mask“ gemischt und produziert hat, zusammen. Das ist so eine richtige Bandfreundschaft geworden inzwischen, trotz dieser Sprachbarriere.
Woher nehmt ihr die Inspiration für eure Songs? Schreibt ihr diese gemeinsam oder ist es mehr die Aufgabe von einzelnen Bandmitgliedern?
SUED: Inzwischen gibt es auf jeden Fall den Ost, der mit wahnsinnig viel Input um die Ecke kommt. Sei es musikalisch, sei es textlich. Nicht nur musikalisch, auch in anderen Bereichen, ist er voll das Zugpferd. Er gibt immer Vollgas. Da ist es immer schwer mitzuhalten. Und natürlich wird dann die weitere Bearbeitung gemeinschaftlich gemacht. Er kommt schon mit sehr viel Ideen und Anstößen, egal in welche Richtung, ums Eck.
Auf eurer Website heißt es, eure Pseudonyme Nord, Süd, West und Ost drücken auf genial einfache Art und Weise den Charakter jedes Einzelnen aus. Erzähl mir mehr dazu. Seid ihr genauso unterschiedlich, wie die Himmelsrichtungen? Was unterscheidet euch, wo seid ihr gleich? Und vor allem, was zeichnet jeden einzelnen von euch aus?
SUED: Wir haben uns für Masken entschieden und dass wir mehr auf der Bühne darstellen wollen, als nur, das wir Musik machen. Das Ganze soll auch visualisiert werden. Damit war auch klar, dass wir jetzt nicht Hans Meier heißen können, sondern das wir Pseudonyme brauchen. Da wir vier Musiker sind, sind wir schnell bei den vier Himmelsrichtungen gelandet. Was dann ganz lustig war, da zu jedem von uns der Grundcharakter irgendwie gepasst hat.
West, hatte damals zumindest einen Goldring. Hatte damals, jetzt ist es nicht mehr so, immer ein fettes Auto und war eher der Typ Einzelkind: wenn der was von mir will, dann will ich was von ihm. Er war nicht jemand der ohne Gegenwert irgendetwas hergegeben hat.
Ost kommt aus Polen und hat eine mentale Verbindung zum Osten.
Ich (Sued) war zu dieser Zeit, sehr viel im Süden unterwegs. Bin dann auch nach München gezogen. Dieses südliche Pseudonym hat da auch irgendwie gepasst.
Nord, der immer die Sonne meidet, immer Urlaub in Dänemark macht und sich zu nördliche Regionen eher hingezogen fühlt, war er ganz klar der Nord. Dann natürlich noch seine fahle Gesichtsfarbe.
2019 ging euer Beichtstuhl-Podcast online. Dort legst Du gemeinsam mit OST jeden Dienstag die Beichte ab. Warum nur ihr beide und nicht alle Bandmitglieder? Und wie kamt ihr auf diese geniale Idee mit dem Podcast? War es eine gemeinsame Idee der Band oder wer von euch hat sie aufgebracht?
SUED: Diese Beichtstuhl-Idee ist durch Ost und mich entstanden. Bzw. Ost hat es angestoßen. Ich hatte lustigerweise im Vorfeld immer wieder mal darüber nachgedacht. Dann haben wir den Anfangs als Band aufgestellt und da hieß er schon „Beichtstuhl“. West ist aber die Figur im Band-Kosmos, die nicht spricht. Er ist der nonverbale. Er arbeitet mit Zetteln, er arbeitet mit Zeichen. Und im Podcast hat er als Schiri fungiert. Er war nur die Computerstimme und hat die Fragen gestellt. Momentan ist es ein bisschen anders. Es hat sich woanders hin entwickelt. Nord hat die Aufnahme gemacht und gesagt, er sieht sich da weniger als Podcast-Sprecher. Es gibt ein oder zwei Folgen, wo er auch mit dabei ist.
Man muss auch ganz ehrlich sagen, das merkt man vor allem, wenn man Gäste hat. Es ist gar nicht so einfach, wenn du mehr als zwei Leute bist. Was super funktioniert, ist ein Dialog. Du bist zu zweit. Ab drei wird es gar nicht so einfach oder gar bei vier. Dann kam noch dazu, dass Nord sich weniger in diesem Feld gesehen hatte. So ist dann das ganze als Ost und Sued entstanden.
Ich sehe das auch weniger als reinen Band-Podcast, sondern es soll auch für Hörer, die nichts mit Hämatom zu tun haben oder uns sogar Scheiße finden, möglicherweise interessant sein.
Ihr zeigt große Fan-Nähe mit viel Geduld für Autogramme und Fotos. Was bedeuten eure Fans für euch? Welche Fan-Reaktion blieb dir bzw. euch am meisten im Gedächtnis?
SUED: Zum einen zu dieser Quarantäne Show. Da war natürlich kein persönlicher Fankontakt. Keine Fans, die mir die Hand geschüttelt haben mit „Hey, das war geil!“. Sondern bissel kühl gesagt, gesehen an der Klickzahl. Das ist ja auch ein Statement. Oder an den Kommentaren, wenn alle sagen: „Boah, des ist geil! Eure Tour ist zwar abgesagt, aber innerhalb kürzester Zeit stellt ihr eine Quarantäne-Show auf die Beine und wir haben es mit der ganzen Familie angeschaut“. Das war unglaublich. Wir hatten so viel Spaß. Über Instagram-Story, die Fans haben uns zugeschüttet mit Bildern und Videos, wie sie, teils mit kleinen Kindern, abgehen auf dem Sofa. Wie sie das ganze zelebriert haben. All das war schon mega ergreifend.
Ansonsten hatten wir vor drei, vier Wochen ein Zoom „Freak-Team“-Treffen. Wir haben das einmal im Jahr. Haben das über Zoom gemacht. Und auch das muss ich sagen: obwohl es Zoom war und obwohl jeder Zuhause gesessen ist oder teilweise im Auto. Sogar ein Zugführer war während seiner nächtlichen Arbeit live mit dabei. Da merkst du dann, die sind voll dabei. Sie haben Spaß, wir haben Spaß. Es ging ewig. Wir haben gesagt, wir schalten uns mal eine Stunde dazu und ich glaube, es ging dann bis nachts um zwei. So lange haben wir uns dann alle unterhalten. Auf Zoom kann man auch den Bildschirm teilen, da wurden dann Bilder von vergangenen „Freak-Team“-Treffen eingeblendet und zusammen angeschaut.
Natürlich, wenn die dann geballt in den ersten Reihen eines Konzertes stehen… Konzerte wo es mal schlechtes Wetter oder anderen Gründen, es erst mal schwierig aussieht mit der Stimmung, die dann einfach die Stimmung herumreißen. Egal wie stark es regnet, egal wie heiß es ist, egal wie viel Verzögerung ein Konzert hatte, weil irgendwas technisch nicht funktioniert hat. Es gibt viele Parameter die eine Show beeinflussen können, wie gut sie wird. Und bei den Freaks, da kannst du dich darauf verlassen. Die werden das herum reißen.
Jetzt kann man das wahrscheinlich nicht mehr so ganz deutlich sehen, aber so vor fünf bis acht Jahren, als wir noch deutlich kleiner waren und auf Festivals gespielt haben, vor allem nachmittags. Da konntest du dich darauf verlassen, wenn nicht allzu viele Fans da waren, dann wird es in der ersten Reihe, eine Freak-Reihe geben. Die werden so Gas geben, dass sie irgendwann das ganze Publikum mitreißen. Das gibt dir auf der Bühne so viel Selbstbewusst sein und macht so viel Spaß. Dass uns die Freak geholfen haben, dahin zu kommen, wo wir jetzt sind.
2019 war für euch ein Jubiläumsjahr. 15 Jahre Hämatom! Denkt ihr heute bereits an euer 20jähriges Jubiläum oder – Gott bewahre – an eure Metal-Rente?
SUED: Nein *lacht* das ist so eine Frage wie: Du bringst eine neue CD raus und in der Woche wo das Album raus kommt sagen die Leute: „Hey, echt geiles Album! Wann kommt denn das nächste?“. Dann vergisst du als Zuhörer, was da für Arbeit drin steckt. Das ist ja ein Hirn-Fick, den du da machst, bis so eine CD draußen ist. Angefangen von der ersten Songidee, bis hin zum letzten Interview. Bis zu einer Promo, in der auch nicht immer alles ganz so läuft. Bis du das alles durch hast. Das glauben viele gar nicht, was da alles dran hängt für ein Rattenschwanz. Und wie glücklich du bist, wenn endlich das Album rauskommt. Da hast du alles andere als einen Kopf dafür, darüber nachzudenken, wann das nächste Album raus kommt.
Klar, die Frage nach dem 20-jährigen Jubiläum ist das was ganz anderes. Zumal die Zeit gerade anders vergeht, weil eben Corona gerade alles über den Haufen schmeißt. Wir fiebern eher dahin entgegen oder hoffen, dass überhaupt mal wieder normale Konzerte stattfinden können.
Die Frage ist halt, wie man diese Zeit weiter tätig ist. Also das hat man wohl ganz gut gesehen, wenn man uns verfolgt hat. Es kam die Krise und dann gab es, sozusagen, zwei Modelle:
Entweder du pausierst als Band und machst dich einfach rar. Willst musikalisch keine fremden Inhalte kreieren oder neue moderne Inhalte, die eher Social Media beschaffen sind. Du willst keine Streaming Shows.
Oder du probierst dich aus. Und wir haben von Anfang an gesagt: „Das ist eine Chance. Wir wissen noch nicht, wo das ganze hin führt. Wir können auch nicht Däumchen drehend herumsitzen. Lass uns da herumexperimentieren“. Und die Zeit, die geht ja weiter.
Nun hat ja der harte Lockdown begonnen. Wir wissen alle nicht, wie lange der dauern wird. Da muss man sich ein bisschen ausprobieren und auch die Chancen der Zeit sehen. Und einfach drauf hoffen, dass alle gesund bleiben.
Und zu guter Letzt: worauf können sich eure Fans in Zukunft freuen? Habt ihr Pläne oder geheime Projekte?
SUED: So richtig spruchreif ist leider noch nichts. Wir hatten zum ersten Lockdown im März die Quarantäne-Show. Dann haben wir einen Song geschrieben, der „Fuck Corona“ hieß und der an Aktualität nicht verliert. Und haben die „Fuck Corona“-EP heraus gebracht. Und haben weiter gemacht.
Aber uns ist klar, wenn die Infektionszahlen weiter hoch gehen, werden wir nicht touren können. Und dass Touren in dieser Art und Weise, wie wir sie uns alle wünschen würden, nicht stattfinden können. Aber, dass wir auch musikalisch weiterhin für gute Laune sorgen werden.
Gute Laune im Sinne von, lasst euch nicht hängen. Wir lassen uns nicht hängen. Wir machen weiter und liefern euch neue Musik. Wie dann diese Musik aussieht, ist leider noch nicht spruchreif. Ob es dann einzelne Songs geben wird, ob man wieder eine EP macht, ob man spezielle Videos macht. Da denken wir auch gerade schwer darüber nach.
Aktuell kann man gerne auf unser Dämonentanz-Digital-Festival am zweiten Weihnachtsfeiertag hinweisen. Da stecken wir gerade noch in der Vorbereitung. Letztendlich ist es wieder ein Streaming Konzert. Dieses Mal ist aber nicht kostenlos über YouTube, sondern man kauft einen digitalen Zugang und kann dann erstmalig am 26. Dezember oder auch noch die Folgetage streamen.
Der Aufhänger ist das Dämonentanz Festival, dass wir auch schon seit vielen Jahren, natürlich auch mit anderen Bands, immer am zweiten Weihnachtsfeiertag feiern. Und das es immer ein ganz toller, lustiger Jahresabschluss ist. Mit inzwischen knapp 2.000 Zuschauern. Auch hier wollten wir das ganze jetzt nicht hängen lassen oder gar nichts machen. Dann machen wir eben dieses Streaming-Konzert. Da stecken wir gerade in der Vorbereitung. Wir werden viele alte Lieder spielen. Da können die Leute auch gerne noch mitvoten.
Bis nächstes Jahr werden wir uns dann eine Pause gönnen. Dieses Jahr war ein sehr aktives Jahr. Eher am Computer, als auf den Bühnen. Es steckt sehr viel Arbeit dahinter, wenn du jeden Tag neues Post für Social Media usw. machst.
Wir werden dann in aller frische Anfang Januar wieder einsteigen und dann auch mit neuen Ideen ums Eck kommen. Bezüglich eine neue CD werden wir nichts raus bringen. Aber neue Songs oder auch mal eine EP. Überraschen lassen, da ist noch nichts spruchreif.
Vielen Dank für das Interview und für Deine Zeit. Die letzten Worte gehören dir. Und natürlich viele Grüße an den Rest von Hämatom.
SUED: An all unsere Freaks und natürlich auch an alle Leser: Einfach weiter durchhalten! Ich denke, dass jetzt gerade die Corona-Ausmaße so schlimm werden, wie wir eigentlich Angst hatten, dass sie im März werden. Heute am Mittwoch gab es erstmals eine Todeszahl von über 900 in Deutschland. Das sind Zahlen, die wir im März aus Italien gelesen haben und uns gedacht haben: das ist ja wirklich schrecklich. Jetzt haben wir diese Zahlen auch in Deutschland.
Ich wünsche allen: Gesund bleiben, nicht auf die Straße gehen und irgendwelche schwachsinnigen Demos mitmachen. Einfach durchhalten.
Vielen Dank für das tolle Interview und für Deine Zeit!
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